Nominell ist alles gut. Unsere erste Mannschaft hat in Dresden zweimal gewonnen, 5:3 gegen Dresden und 5,5:2,5 gegen HSK Lister Turm. Wir führen weiter die Tabelle der Bundesliga an, und uns fehlen noch zwei Punkte zum Titel. Aber diese Zahlen zeigen nicht, wie wackelig unser Auftritt in Sachsen war. Gegen Dresden standen wir lange mit dem Rücken zur Wand, und die Vorstellung gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten aus Hannover war kaum souverän.
Stefan Spiegel freut, dass der Titel nähergekommen ist. Die Schwierigkeiten, die wir in Dresden gegen nominell unterlegene Gegner hatten, sieht er als Warnung aufzupassen, dass wir nicht auf der Zielgeraden herschenken, was wir uns im Verlauf der Saison erarbeitet haben. Das Match gegen Dresden, das zwischenzeitlich verloren zu gehen drohte, wertet er als „bestandene Charakterprobe“.
Stefan Martin nimmt zufrieden zur Kenntnis, dass wir kurz vor dem Ziel unverändert auf Kurs sind. Angesichts der beiden schwierigen Aufgaben zum Abschluss der Saison am 27./28. April in Hannover erwartet Stefan eine Leistungssteigerung. Den Tabellendritten Werder Bremen sowie die ausgeglichen besetzten und gleichmäßig stark performenden Kirchweyher zu besiegen, wird nochmal ein hartes Stück Arbeit.
Kulturell erbaulich war der Ausflug nach Dresden allemal. Zu ihren Heimspielen laden die rührigen Dresdner in eines der schmucksten Spiellokale der Liga, das Lingnerschloss, benannt nach dem Unternehmer Karl August Lingner (1861-1916), Erfinder des Odol-Mundwassers. Von außen ist die am Elbufer gelegene Villa mit ihren imposanten Terrassen prächtig anzuschauen, dazu der Ausblick übers Elbtal (Weltkulturerbe!). Drinnen ist es ebenfalls sehr schön, wenngleich ein wenig eng für vier Mannschaften.
Kulturell erbaulich war es auch für diejenigen, die auf YouTube und Twitch unseren Livestream verfolgten. Ilja hatte sein Viernheimer-Schach-TV-Studio in einem Raum im Obergeschoss des Schlosses eingerichtet. Von der Geburtstagsfeier im Nebenraum klangen am Samstag für die Dauer des Mannschaftskampfs Flötentöne und Chorgesang herüber. Nicht zu laut, nicht störend, aber im Stream als Hintergrundmusik deutlich vernehmbar.
Das Match gegen Dresden war eng. David wurde in einer unschuldigen, symmetrischen Stellung überspielt. Was sehr bald nach 0:1 gegen uns aussah (plus sechs laut Stockfish), sollte die letzte Partie des Matches werden, aber davon war zu Beginn nicht auszugehen. Dazu Shakhs offene Feldschlacht gegen Dieter Nisipeanu. Unzufrieden mit seiner Eröffnung, hatte Shakh Brücken abgebrochen. Es folgte ein Hauen und Stechen, das so oder so hätte ausgehen können.
Es bedurfte einiger Hilfe der Gegenspieler, dass aus diesen beiden Partien 1,5 Punkte heraussprangen. Für lange Zeit mussten wir froh und dankbar sein, dass zumindest Georg einen sich früh andeutenden glatten Sieg herausspielte. Damit war für uns zumindest ein 4:4 stets in Reichweite. Das 5:3, das es dann doch wurde, nehmen wir gerne mit.
Das Match am Sonntag gegen Hannover war bald entschieden. Die 4,5 zum Sieg nötigen Punkte hatten wir schnell eingefahren – ein Glück, denn danach kam nicht mehr allzu viel. Von dem eigentlich zu erwartenden souveränen Kantersieg gegen die schon als Absteiger feststehenden Spieler aus dem Lister Turm waren wir weit entfernt.
Nicht in diesem Lister Turm, dem eigentlichen Spiellokal der Hannoveraner, sondern im Toto-Lotto-Saal der Akademie des Sports in Hannover geht es am letzten Aprilwochenende weiter. Der HSK Lister Turm verabschiedet sich mit zwei zentralen Runden daheim aus der Bundesliga. Uns erwarten in Hannover zwei Matchballe. Wenn wir eines der beiden letzten Matches dieser Serie gewinnen, ist der SC Viernheim zum ersten Mal in seiner 90-jährigen Vereinsgeschichte Deutscher Meister.