Das erste Training mit dem lettischen GM und Trainer Sigurds Lanka brachte für alle Teilnehmer neu Erkenntnisse und Einsichten in die Sizilianische Verteidigung und natürlich - wie immer - jede Menge Spaß. Die Bauern erhalten allesamt männliche Vornamen, was den Teilnehmern schon nach kurzer Zeit in Fleisch und Blut übergeht.

Sizilianisch ist die meistgewählte Erwiderung auf e4. Jeder, der mit e4 eröffnet, braucht ein Repertoire gegen Sizilianisch. Leider gilt Sizilianisch auch als theorielastig. Viele Weißspieler versuchen daher, Varianten auswendig zu lernen, aber für Amateure ist das nicht leicht, denn ein GM-Repertoire gegen Sizilianisch aufzubauen, dauert Jahre und muss ständig gepflegt werden. Und wenn man dann eine wichtigen Zug vergisst oder die Züge vertauscht, kann nach 20 Zügen schon alles vorbei sein.

Was wäre, wenn man Sizilianisch verstehen könnte und die Eröffnung mit einem Konzept spielen würde, bei dem man nicht jede Variante Zug für Zug auswendig lernen muss? Wie wäre es, wenn man die positionellen Grundlagen versteht, Signalzüge und die wichtigsten Angriffsmotive kennt? Könnte man dann die Varianten begreifen, statt sie stur auswendig lernen zu müssen?
Genau das versuchte Sigurds Lanka in seinem Training am letzten Freitag zu vermitteln. Man kann Sizilianisch verstehen.

Der erste Schlüssel zum Verständnis der Sizilianischen Verteidigung, den er uns an die Hand gegeben hat, ist die Zentrumskontrolle. Welche Variante auch immer aufs Brett kommt, es geht immer um den Kampf um e4 und d5. Die siegreiche Partei in diesem Kampf gewinnt die Partie. Eine einfach aber "zentrale" Einsicht. Dieser Kampf wird von beiden Seiten mit den Mitteln der Springerfesselung und mit Bauernattacken geführt, um die Figurenkontrolle des Zentrums wirkungslos zu machen.

Mikael hilft Holger bei der Anmeldung

Anhand des Sizilianischen Angriffs von Schwarz, bei dem dieser ein frühes Lb4 spielt, zeigte uns Lanka, wie man diese Fesselung durch scharfes Gegenspiel auf Königsangriff wirkungslos machen kann, ja muss. Spielte Weiß hier zahnlos, würde der Schwarze d5 durchsetzen und das Zentrum erobern.

Dann zeigte Lanka, wie man im Sweschnikow-Sizilianer mit Weiß das schwarze Gegenspiel am Da-menflügel lahm legt, so die Zentrumskontrolle sichert und dann am Königsflügel zum Angriff überge-hen kann, weil das Zentrum gesichert ist. Hier zeigt der lettische GM ein schönes Motiv, wie man den schwarzen Gegenschlag f5 durch exf und nachfolgendes weißes f4 abfedern kann - wie beim Boxen: block, before you punch. Und dann muss der schwarze Monarch mit "Damenbesuch" rechnen.

Hans-Peter und Andrej bei der Begrüßung

So richtig geht die Post aber ab, wenn Schwarz á la Scheveningen, mit kleinem Zentrum spielt (e6 und d6). Denn nach d6 kann der schwarze Läufer den Sc3 nicht mehr fesseln und deshalb ist d6 der Signalzug für den Keres-Angriff mit g4. Man kann Gary, Harry und Fritz gleich in Bewegung setzen, Weiß kann aber auch erst mal wie Karpow spielen, die Läufer mit Le2 und Le3 entwickeln und dann die weiße Rasselbande auf die Reise schicken.

Die Herren führen finsteres im Schilde. Sie bringen einen Koffer mit (Bauernformation e4, f4, g5 (Henkel!), h5). Sie vertreiben den Sf6 (Kampf ums das Zentrum) und damit gleichzeitig den wichtigs-ten Verteidiger des schwarzen Königs. Und mit so einem Koffer kann man natürlich auch die Tür in die Wohnung des schwarzen Königs aufstemmen, um dann die weißen Figuren nachfolgen zu lassen. Ziel: "Damenbesuch".

Volles (Bürger-)Haus beim ersten Training in der neuen Saison

Die schlechte Nachricht für alle Drachenspieler: In Varianten mit frühem d6 müssen sie ebenfalls mit den drei Reisenden rechnen. Harry, Garry und Fritz können auch hier den Schwarzen "wegkoffern", zumal ja der g6-Bauer sich ideal als Ansatzpunkt für ein Aufbrechen der schwarzen Königswohnung eignet. Dies demonstrierte und Sigurds Lanka in der dritten Halbzeit. Denn eigentlich waren die zwei vorgesehenen Trainingsstunden schon rum, aber der lettische GM hatte noch Zeit und vor allem hat er Spaß am Trainieren. Und außer den Drachenspielern im Club hatten auch wir Spaß an den "Revolverspringern", den "Damenbesuchen" und dem wichtigen Hinweis, dass die FIDE Zwischenschachs erlaubt hat. Die Drachenfans im Club aber mussten erfahren, wie gefährlich das Spiel der dreisten Drei (oder Fanta Vier, wen Erich noch mitmacht) auch für sie werden kann.

Damit alle Teilnehmer sich das auch noch mal Zuhause in Ruhe vor Augen führen können, hat Sigurds Lanka für alle Teilnehmer ein sehr detaillierte Chess-Base Datei mit Trainingsfragen vorberei-tet, die allen Teilnehmern zugesandt wird.

Ist für Schwarz jetzt alles verloren? Natürlich nicht. Denn das nächste Mal (Sa. 01.10.2016, ab 16:00 Uhr) wird uns Sigurds zeigen, wie man arglose Weißspieler mit einem kleinen Randbauernzug aufs Kreuz legen kann und natürlich mit Varianten ohne d6 - wer will die dreisten Drei schon vor der Haustür stehen haben?